Als ich noch als Kind bei meinen Eltern lebte, hatte mein Vater regelmäßig Bereitschaftsdienst. In dieser Zeit fuhr er immer einen Wagen mit Werbung eines großen Verlagshauses für das er arbeitete.
Eines Abends kam er etwas später nach Hause. Unterwegs hatte er einer jungen Frau geholfen, deren Auto mitten im Berufsverkehr auf einer Kreuzung liegengeblieben war. Als Kind war ich sehr stolz auf meinen Vater, für seine gute Tat. Danach sprachen wir nicht weiter darüber.
Zwei Wochen später brachte mein Vater eine hochwertig verpackte Schallplattensammlung mit nach Hause. Er sagte uns, dass er dies von der Frau als Dankeschön bekommen hat.
Das Interessante dabei war, dass mein Vater seine Kontaktdaten nicht hinterlassen hatte. Die Frau hatte sich die Werbung des Fahrzeugs gemerkt und im Verlag so lange nachgefragt, bis sie den Fahrer - meinen Vater - und seine Arbeitsadresse ermitteln konnte. Ihr Bedürfnis, sich zu Bedanken, war ihr Antreiber.
In der Soziologie gibt es den Begriff der Reziprozität. Damit wird ein soziales Prinzip beschrieben. Sehr stark vereinfacht, sagt dieses Prinzip: Wenn Menschen eine Leistung (Gefallen) erhalten, fühlen sie sich zu einer Gegenleistung verpflichtet.